Einleitung
Im Folgenden werden die Eckpfeiler der Konfrontative Pädagogik, sowie die Methode der Anti-Aggressivitäts- und Coolness-Trainings nur marginal behandelt. Der umfassend interessierte Leser sei auf die einschlägigen Buchpublikationen zu diesen Themen hingewiesen (Kilb/Weidner/Gall 2006, Weidner/Kilb 2004, Colla/Scholz/Weidner 2001, Weidner 1993), insbesondere auf den Beitrag von Ludwigshausen/Böhm (2008) in der Zeitschrift „Pädagogik“ zum Transfer der konfrontativen Methodik in den Bildungskontext.
Der vorliegende Text konzentriert sich dagegen auf Qualitäts-, Forschungs- und selbstkritische Themen:
- Der aktuelle Stand: Kurze Information zum Umfang der Programme in Deutschland und der Schweiz
- Die Qualitätsstandards für die praktische Arbeit in AAT/CT-Programmen
- Fünf ermutigende Forschungsergebnisse: zur quantitativen und qualitativen Evaluation des AAT/CTs
- Die selbstkritische Neuorientierung konfrontativer Trainingsprogramme seit 2005:
Die Änderung der Medienarbeit: weniger ist mehr
Die rechtlichen Grenzen des AAT/CTs: die non-touch-Verpflichtung
Die Betonung der gesellschaftskritischen Perspektive: die aggressive Wettbewerbskultur als Negativvorbild.
Die tatkonfrontative Methode des Anti-Aggressivitäts-Trainings wurde 1987 – u.a. vom Verfasser – in Deutschland eingeführt. Tatkonfrontation heißt im erziehungswissenschaftlichen Sinne aggressive Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Dieser Standpunkt lässt sich aus mittlerweile tausenden von Einzelgesprächen ableiten, die der Verfasser und die AAT/CT ProjektleiterInnen in ganz Deutschland seit 22 Jahren mit Hooligans, Skin-Heads, deutschen, türkischen oder russlanddeutschen Schlägern geführt haben. Diese jungen, heranwachsenden und erwachsenen aggressiven Menschen lieben – so ihre Selbstthematisierungen – die Konfrontation, die Action und den damit verbundenen Thrill. Entsprechend erleichtert bei dieser Zielgruppe ein konfrontativer Zugang die Kommunikation mit den Probanden, solange eine vertrauensvolle professionelle Beziehung geschaffen werden konnte. Die Konfrontation mit der Aggressionstat, mit den Rechtfertigungsstrategien und dem Opferleid wird von den Trainierten als dynamisch, spannend und Erkenntnisreich empfunden.
Hassemer (2004; S.353), Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, würdigt diese zwanzigjährige Entwicklung mit den Worten: Erziehung „bringt aber auch die Chance produktiver Veränderung mit sich, wie man an Entwicklungen wie (…) „konfrontativer Pädagogik“ oder Anti-Aggressivitäts-Training studieren kann.“ Diese positive Bewertung resultiert u.a. aus der Tatsache, dass das AAT/CT von vielen Jugendrichtern als letzter ambulanter Versuch, als ultima ratio, angesehen wird, bevor eine Inhaftierung erfolgt. Winkler (2003: S.46), unterstreicht diesen Aspekt, wenn er schreibt: „Die Klientel sozialer Arbeit und der Sozialpädagogik rekrutiert sich keineswegs aus guten Menschen, denen die Zumutungen erspart werden können, die mit Zivilisation einhergehen (…) Anders gesagt: Wenn sozial und kulturell hergestellte Ausgrenzung bedeutet, selbst die Zwänge zu verweigern, welchen wir uns um unseren Humanisierungen nicht entziehen dürfen, können Trainingsmethoden wie die von Kilb und Weidner mithin Gewicht bekommen. Vielleicht sind sie nötig (…) Treatment scheint dann allemal besser als schlichtes Einsperren oder gar dem Verhungern preisgeben.“ Dies betont auch der Chefredakteur der ZEIT, Giovanni di Lorenzo (2008; S.1), bei seiner politischen Einordnung des Themas Jugendgewalt: „Linke und Liberale müssen sich damit abfinden, dass es auch junge Täter gibt, die so gefährlich sind, das nur langes Wegsperren oder gar die Ausweisung zu vertreten sind. Hardliner dagegen, dass der Erziehungsgedanke bei Jugendlichen richtig ist und das gut geführte Heime und Antiaggressionstrainings in der Regel mehr helfen als Jahre der Verrohung im Gefängnis.“ Und die Bundesministerin für Justiz Zypris (abgeordnetenwatch.de 12/08) stellt nüchtern, wie zutreffend das Anti-Aggressivitäts-Training als einen Baustein resozialisierender Programme in Deutschland dar: „Das geltende Jugendstrafrecht bietet eine breite Palette von Sanktionsmöglichkeiten (…) Die Rechtsfolgen reichen von Erziehungsmaßregeln, die die Lebensführung regeln sollen (z. B. Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs, Anti-Aggressivitäts-Training oder einem Täter-Opfer-Ausgleich), (…) bis hin zu einer langjährigen Jugendstrafe.“
Allerdings finden das AAT/CT sowie die Grundüberlegungen zur Konfrontativen Pädagogik ihre Grenzen in Ausschlusskriterien: Nicht bei jedem Probanden darf Konfrontation als Hilfe verstanden werden, um eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster in Frage zu stellen. Konfrontation kann – und darauf weisen Kritiker zu Recht hin (Herz 2005, Plewig 2008) – dem Betroffenen schaden. Deswegen gilt es vor Behandlungsbeginn zu differenzieren: Nicht konfrontativ behandelt werden
- aggressive Menschen mit traumatischen Erfahrungen,
- mit Autoaggressiven Tendenzen,
- Grenzfälle zur Psychiatrie oder
- psychisch labile Konflikt- und Beziehungstäter (Kilb 2005).
Bei diesen Menschen erscheint eine Tatkonfrontation kontraindiziert. Sie werden daher auch nicht in AAT/CT Programme aufgenommen.
- Einleitung
- Der aktuelle Stand: Kurze Information zum Umfang der Programme in Deutschland und der Schweiz
- Fünf Forschungsergebnisse, fünf ermutigende Ergebnisse: zur quantitativen und qualitativen Evaluation des AAT/CTs
- Die selbstkritische Neuorientierung konfrontativer Trainingsprogramme
- Die Änderung der Medienarbeit: weniger ist mehr
- Die rechtlichen Grenzen des AAT/CTs: die non-touch-Verpflichtung
- Die Betonung der gesellschaftskritischen Perspektive: die aggressive Wettbewerbskultur als Negativvorbild
- Resümee
- Literaturverzeichnis