Erfolgreiche Projekte mit Konfrontativer Pädagogik und Coolness-Training an der Evangelischen Schule Celle

29. Oktober 2024

Vor Jahren entschied sich Steffen Müller, seinerzeit stellvertretender Schulleiter, für die Ausbildung zum Anti-Aggressivitäts- und Coolness-Trainer.
Nach ersten Erprobungen der neuen Ideen, stieß die Konfrontative Pädagogik in der Evangelischen Schule Celle, zunehmend auf wohlwollende Resonanz.
Weitere pädagogische Mitarbeitende ließen sich beim IKD qualifizieren.
Das mündete schließlich in eine In-house Qualifizierung „Coolness-Training“ für das gesamte Kollegium (20 CT®-TrainerInnen). Das Team entwickelte ein für Förderschulen erfolgreiches Konzept

Pädagogische Grundhaltung im Sinne der konfrontativen Pädagogikan der Evangelischen Schule Celle

Die Evangelische Schule Celle ist eine staatlich anerkannte Schule für Kinder mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung (ESE)

Die konfrontative Pädagogik zielt darauf ab, mit einer klaren und entschiedenen Haltung auf das Verhalten von Schüler*innen einzugehen, um ihnen sowohl Grenzen als auch Wege zur Selbstreflexion und Weiterentwicklung aufzuzeigen. Diese Haltung ist eng verbunden mit einem pädagogischen Stil, der konsequent mit Methodik und Didaktik verzahnt ist – eine Einheit, die pädagogischen Fachkräften erlaubt, in allen Situationen authentisch und konsistent zu agieren. Im Mittelpunkt steht der Grundsatz, dass wertschätzende Konfrontation zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, indem sie Verhaltensmuster hinterfragt und zur Eigenverantwortung anleitet. Dies ist besonders wichtig in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die in ihrer Entwicklung zu selbstständigen, verantwortungsbewussten Persönlichkeiten begleitet werden sollen.

Eine reflektierte Grundhaltung ist dabei von zentraler Bedeutung. Fachkräfte in der konfrontativen Pädagogik setzen sich kontinuierlich mit ihrem eigenen Verhalten, ihren Werten und den Reaktionen der Schüler*innen auseinander. Sie analysieren, welche Dynamiken in Konflikten wirken und wie ihr eigenes Verhalten Einfluss nimmt. Dies ermöglicht es ihnen, situationsgerechte Entscheidungen zu treffen und in Konflikten besonnen zu bleiben. Die Selbstreflexion hilft zudem, unbewusste Vorurteile oder übermäßige Härte zu vermeiden und auf respektvolle Weise auf jede*n Schüler*in einzugehen.

Konfliktfähigkeit und Schlagfertigkeit sind in der konfrontativen Pädagogik essenziell. Konflikte werden nicht vermieden, sondern bewusst als Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten aufgegriffen. Erzieher*innen treten Schüler*innen selbstsicher und klar gegenüber, wenn es um problematisches Verhalten geht, und nutzen direkte Ansprache, um Missverständnisse oder Fehlverhalten auf den Punkt zu bringen. Diese Haltung erfordert Schlagfertigkeit, um in der Auseinandersetzung flexibel zu reagieren und den Schüler*innen gegenüber authentisch und souverän zu erscheinen.

Die Kreativität und Flexibilität der pädagogischen Fachkräfte sind entscheidend, um angemessen auf das individuelle Verhalten der Schüler*innen einzugehen und Lösungen zu finden, die zur Situation und zum jeweiligen Kind passen. Oftmals bedarf es kreativer Methoden, um die Schüler*innen zur Selbstreflexion anzuregen und den Lernprozess lebendig zu gestalten. Dazu gehört es, auf die Bedürfnisse der Schüler*innen einzugehen, die Eigenheiten einer Situation zu berücksichtigen und, wo nötig, auch humorvolle oder unerwartete Ansätze einzubringen, um Widerstände abzubauen und Offenheit zu schaffen.

Diese Haltung verlangt ein hohes Maß an Mut und Risikobewusstsein. In der konfrontativen Pädagogik müssen Erzieher*innen oft unbequeme Themen ansprechen und sich auch in ungewisse, spannungsgeladene Situationen begeben, um den Schüler*innen Verhaltensgrenzen und deren Konsequenzen aufzuzeigen. Dieses risikobewusste Handeln wird durch eine fundierte Reflexion und klare Verhaltensregeln unterstützt, sodass pädagogische Fachkräfte mutig auftreten und auch in schwierigen Situationen eine klare Linie beibehalten können.

Die konfrontative Pädagogik verbindet das konfrontative Vorgehen stets mit einer kümmernden und besorgten Grundhaltung. Dies bedeutet, dass der Fokus nicht nur auf der Verhaltenskorrektur liegt, sondern auch darauf, den Schüler*innen das Gefühl von Sicherheit, Respekt und Wertschätzung zu vermitteln. Erzieher*innen bieten nicht nur Grenzen, sondern auch Unterstützung und Anleitungen, damit die Schüler*innen sich in ihrer Entwicklung positiv weiterentwickeln können. Dieser Balanceakt zwischen Konfrontation und Fürsorge, auch als „Caring“ bekannt, ist ein zentrales Element der konfrontativen Pädagogik, das Vertrauen und gegenseitigen Respekt aufbaut.

Ein wichtiger Teil dieser Haltung ist das Changieren zwischen Konfrontation sowie Fürsorge („Caring“) und Aushalten („Holding“). Erzieher*innen müssen flexibel zwischen dem Setzen von Grenzen und der Bereitstellung eines sicheren Rahmens wechseln. Sie fordern die Schüler*innen zu Verantwortungsbewusstsein und Selbstreflexion auf, schaffen jedoch gleichzeitig Raum für ihre Emotionen und Unsicherheiten. Diese Balance erlaubt es, auch intensive Konflikte „auszuhalten“ und sie nicht vorschnell zu beenden. Indem die pädagogische Fachkraft diese Spannungen aushält, gibt sie den Schüler*innen die Möglichkeit, ihre Gefühle und Verhaltensweisen zu reflektieren und daran zu wachsen.

Die konfrontative Pädagogik erfordert somit eine Haltung, die alle Elemente – von der persönlichen Reflexion über Konfliktfähigkeit und Schlagfertigkeit bis zur Fürsorge – miteinander vereint. Diese ganzheitliche Grundhaltung schafft ein Umfeld, in dem sich Schüler*innen sicher und wertgeschätzt fühlen und zugleich zur Verantwortung für ihr eigenes Verhalten angeleitet werden. Pädagogische Fachkräfte stellen sich in dieser Haltung als mutige, konsequente und gleichzeitig fürsorgliche Begleiter*innen zur Verfügung, die ihre Schüler*innen durch klare Konfrontation und authentische Beziehungen in ihrem Entwicklungsprozess unterstützen und fördern. Ziel ist es, ihnen nicht nur Verhaltensgrenzen aufzuzeigen, sondern auch Möglichkeiten zur persönlichen und sozialen Entfaltung zu eröffnen.

Gewaltschutzkonzept der Evangelischen Schule Celle

1. Prävention:
Im Zentrum der Präventionsarbeit steht das Coolnesstraining®, das wöchentlich für alle Schüler*innen angeboten wird. Dieses Training, basierend auf der konfrontativen Pädagogik, stärkt die soziale Kompetenz der Schüler*innen, indem es ihnen hilft, aggressive Impulse zu erkennen und zu kontrollieren. Ziel ist es, eigene Grenzen und die der anderen zu respektieren. Übungen zur Konfliktlösung und Deeskalation stehen dabei im Vordergrund, sodass die Schüler*innen lernen, wie sie in Stresssituationen ruhig und selbstbewusst agieren können.

2. Partizipation:
Die Schüler*innen werden aktiv in die Planung und Gestaltung der Coolnesstrainings eingebunden. Sie können ihre Erfahrungen und Wünsche einbringen, um das Training praxisnah und alltagsbezogen zu gestalten. Auch Eltern und Lehrkräfte werden informiert und, wenn möglich, in Teile des Trainings eingebunden, um eine ganzheitliche Unterstützung zu gewährleisten. Diese Mitwirkung stärkt das Verantwortungsbewusstsein und das Verständnis für die Bedeutung eines gewaltfreien Miteinanders.

3. Krisenplan:
Der Krisenplan der Schule beinhaltet klar definierte Abläufe für akute Konflikt- oder Gewaltsituationen. In solchen Fällen greifen Elemente aus dem Coolnesstraining, wie die Methode der „konstruktiven Konfrontation“. Schüler*innen werden durch spezifische Interventionsstrategien dazu gebracht, sich mit ihrem Verhalten auseinanderzusetzen, ohne dass es eskaliert. Zudem werden Kriseninterventionsteams bereitgestellt, die in schwierigen Fällen schnell reagieren und helfen können, die Situation zu entschärfen und deeskalierende Techniken aus dem Coolnesstraining anwenden.

4. Organisationsstruktur:
Die Integration des Coolnesstrainings erfordert eine klare organisatorische Verankerung. Es wird ein spezielles Team aus Lehrkräften und Schulsozialarbeiter*innen gebildet, das für die Koordination und Durchführung des Trainings verantwortlich ist. Regelmäßige Reflexionstreffen dieses Teams sowie die Zusammenarbeit mit externen Coolnesstrainer*innen gewährleisten, dass das Konzept kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert wird. Dieses Team überwacht außerdem die Implementierung des gesamten Gewaltschutzkonzepts und sorgt für die Einbindung der konfrontativen Pädagogik in den Schulalltag.

5. Verhaltenskodex:
Im Rahmen des Coolnesstrainings erarbeiten die Schüler*innen gemeinsam Verhaltensregeln, die in den allgemeinen Verhaltenskodex der Schule integriert werden. Diese Regeln basieren auf gegenseitigem Respekt, Toleranz und Gewaltfreiheit. Die Schüler*innen verpflichten sich dazu, Konflikte zunächst verbal und auf respektvolle Weise zu lösen. Bei Regelverstößen wird auf Methoden aus dem Coolnesstraining zurückgegriffen, um das Verhalten konstruktiv zu thematisieren und einen positiven Umgang mit Aggressionen zu fördern.

6. Personal:
Das gesamte Schulpersonal nimmt regelmäßig an Fortbildungen zum Thema konfrontative Pädagogik und Coolnesstraining teil. Dies befähigt sie, herausfordernde Situationen professionell und deeskalierend zu managen. Lehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen werden geschult, wie sie das Coolnesstraining nicht nur in Konfliktsituationen anwenden, sondern auch präventiv im Unterricht oder in Gruppensituationen einsetzen können. Supervision und Coaching helfen dabei, das Gelernte im Alltag zu festigen.

7. Risikoanalyse:
Eine systematische Risikoanalyse wird regelmäßig durchgeführt, um potentielle Gefahrenquellen für Gewalt und Konflikte in der Schule zu identifizieren. Dabei werden auch die Ergebnisse aus den Coolnesstrainings berücksichtigt, indem problematische Verhaltensmuster und besonders konfliktanfällige Schüler*innen frühzeitig erkannt werden. Diese Analysen dienen als Grundlage für gezielte Maßnahmen, wie verstärkte Betreuung einzelner Schüler*innen, Anpassungen im Schulalltag oder die Durchführung zusätzlicher Trainingsmodule.

Coolnesstraining als Kernkomponente:
Das Coolnesstraining ist das Herzstück des Gewaltschutzkonzepts und ergänzt die konfrontative Pädagogik durch praktische Übungen, die gezielt auf die Förderung von emotionaler Selbstkontrolle und Konfliktlösung abzielen. Schüler*innen lernen, ihre Emotionen zu reflektieren und alternative Verhaltensstrategien zu entwickeln, die Gewalt vorbeugen. Dies stärkt nicht nur das individuelle Verhalten, sondern auch das soziale Klima innerhalb der Schule.

Steffen Müller
AAT®/CT®-Trainer
Schulleiter der Evangelischen Schule Celle
Celle in Niedersachsen – 28. Oktober 2024