Die Betonung der gesellschaftskritischen Perspektive: die aggressive Wettbewerbskultur als Negativvorbild

Die Vielzahl der Publikationen zum AAT/CT sowie zur Konfrontativen Pädagogik haben die gesellschaftliche und institutionelle Perspektive im Kontext von Gewalt bis dato zu wenig thematisiert. Dies soll sich ändern. Galtungs Begriff der „strukturellen Gewalt“ gilt es stärker hervorzuheben,  Heitmeyers Verständnis vom “Modernisierungsverlierer“ oder Pfeiffers – wenn auch populistische Formulierung – von der winner-looser-Kultur in Bezug auf gewalttätiges Handeln. Weiter gilt es gilt sich theoretisch, wie im praktischen Handeln, gegen Migrationsbenachteiligungen und für ein integrierendes Verständnis von Internationalisierung einzusetzen (Toprak 2005).  Es gilt eine stärkere wettbewerbskritische Perspektive zu verfolgen. Die Grundüberlegung ist dabei das Verständnis vom gewalttätigen Menschen als Spiegelbild einer aggressiven Wettbewerbs- und Wirtschaftskultur. Das bundesrepublikanisch akzeptierte aggressive Verhalten im Wettbewerb findet in Begriffen wie „feindliche Übernahme“ oder „positive Aggression“ ihren Ausdruck. Der Verfasser hat die dahinter stehende Haltung in über 500 Interviews mit Deutschen und Schweizer Führungskräften am Gottlieb-Duttweiler-Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (GDI) in Zürich präzisiert. Die Interviews konzentrierten sich auf zwei Fragen:

  • Welche Schattenseiten brauchen Sie zur Stabilisierung oder zum Ausbau Ihres beruflichen Erfolges ?
  • Welche aggressiven Taten haben Sie in Ihrem Berufsleben begangen oder welchen sind Sie zum Opfer gefallen ?

Die Ergebnisse dieser Interviews sind im Campus-Ratgeber „Die Peperoni-Strategie. Wie Sie Ihre berufliche Aggression konstruktiv nutzen“ (Weidner 2005) publiziert worden. Die dort beschriebenen – und nicht sehr schmeichelhaften – beruflichen Machtspiele, stoßen bei vielen Führungskräften auf Interesse, was sich u.a. darin wiederspiegelt, dass das Buch 33 Wochen Platz 1 im Wirtschaftsbuch-Ranking der Financial Times Deutschland belegte. Bosshart (2004; S.1), Direktor des GDI bringt dies Interesse auf den Punkt: „Management heißt: Härte, Mut, Augenmaß. Es braucht zunächst und am wichtigsten als Voraussetzung den Biss, etwas zu wollen. Dann braucht es den Mut, ambitiös zu sein. Und nicht zuletzt braucht es die Kunst, das Augenmaß zu halten.“ Vergleicht man auf diesem Hintergrund die Wirtschaftsmachtspiele mit dem aggressiven Handeln junger Täter kann man schlussfolgern, dass sich hier zwei Seiten einer Medaille zeigen. Insofern dürfen gewalttätige junge Menschen als ungekonnte Prototypen einer aggressiven Wettbewerbskultur verstanden werden. Im Bereich von white-collar-crime werden in der Wirtschaftskultur sogar die Eigentums-, Raub- und Sachbeschädigungs-Schäden von delinquenten Jugendlichen bei weitem überboten, wobei – unfairer Weise – die Jugendlichen weit eher mit Haftstrafe bedroht sind, als etwa Steuerhinterzieher, die unterhalb der Millionen Euro-Grenze auf Bewährung hoffen dürfen. Dieses Ungleichgewicht gilt es in Zukunft stärker zu thematisieren.