Coolness-Training (CT®)

Coolness-TrainingIn Ergänzung zum Anti-Aggressivitäts-Training (AAT), das sich ausschließlich deliktbezogen mit dem Täter auseinandersetzt, ist das Coolness-Training (CT) konfrontativ-prophylaktisch ausgerichtet und wird vor allem in Schulen und Jugendeinrichtungen durchgeführt. Das CT zielt einerseits auf gewaltbereite Kinder und Jugendliche und deren potenzielle wie tatsächliche Opfer sowie andererseits auf scheinbar unbeteiligte Beobachter gewaltaffiner Situationen. Im Handlungsviereck von Täter, Opfer, Gruppe und Einrichtung, die alle auf ihre spezifische Weise und in vernetzter Form für die Bedingungen der Gewaltereignisse verantwortlich sind, werden im CT Verhaltensalternativen erarbeitet. Gewaltursachen, Auslöser und Gelegenheiten werden während des Trainings Gegenstand einer Analyse gewalttätigen Verhaltens.

Das zentrale Ziel des Coolness-Trainings ist die Opfervermeidung. Als handlungsleitendes Motiv fungiert hierbei der Leitsatz: Die Person und ihr (gewalttätiges) Handeln verstehen, mit letzterem aber nicht einverstanden zu sein. Dieses Nicht-Einverstanden-Sein wird im Training über die Tatkonfrontation vermittelt. Das Konzept einer „würdigen Konfrontation“ hat Ortrud Hagedorn in ihren Unterrichtsideen zu „Konfliktlotsen“ auf die Formel: „Akzeptanz + Konfrontation = soziale Entwicklung“ gebracht. Im CT sollen Abwehr und Feindseligkeit reduziert werden. Dabei spielen Rituale und Strukturen von Begegnungen im öffentlichen Raum eine bedeutsame Rolle. Diese Strukturen werden analysiert, in Phasen zerlegt und im Rollenspiel inszeniert. Kinder und Jugendliche arbeiten während dieser Phase mit gesteigertem Interesse, denn hier ist „Action“ angesagt. Zahlreiche Opfer, so die Erfahrung in den Trainings, tragen zur Entstehung und Verschärfung von Gewaltereignissen bei, weil sie bestimmte Verhaltensmuster z. B. in der Klasse oder Gruppe nicht durchschauen, über keinen ausreichenden Selbstschutz verfügen oder nicht in der Lage sind, in Konfliktsituationen „eigene Drehbücher“ zu schreiben und durch ihre Körpersprache sich immer wieder unglücklich „ins Spiel“ bringen. Leider tragen viele Opfer auch lange zur Geheimhaltung von Straftaten bei. Sie haben Angst vor den Tätern, befürchten Einschränkungen hinnehmen zu müssen und haben Sorge, nicht ernst genommen zu werden und Vorwürfen ausgesetzt zu werden.

Ostbomk-Fischer wies darauf hin, dass Menschen nur gewalttätig werden, wenn ihr Opfer unterlegen scheint. Der Angreifer geht davon aus, dass sein Handeln keine negativen Konsequenzen für ihn selbst hat. Zur ‚tyrannischen Situation‘ gehört, dass der Täter keine Zeugen hat oder nur solche, die sein Handeln dulden oder unterstützen. Zahlreiche Gewalttaten ließen sich verhindern, wenn die anwesende Gruppe, die von Angst und Hilflosigkeit gelähmt ist, über ein eigenes Handlungskonzept oder ein „Drehbuch“ verfügen würde. Hier will das CT Unterstützung leisten. In seinem Curriculum geht es um Aggressivität und Gewalt, um die Wahrnehmung eigener Täter- bzw. Opferdispositionen, um Grenzsetzungen, um die Kooperation und Gemeinsamkeit in der Gruppe, um Wahrnehmung und Kommunikation, um Peer-group-education, um Vertrauen, Offenheit, um konstruktive Konfliktlösungen, um Verhalten in Bedrohungssituationen, um Deeskalation, die eigene Körpersprache, um eigene Stärken und Schwächen sowie um den Umgang mit Fremden, Rollen, Normen und Werten.

Methoden des Coolness-Trainings: Bei der Durchführung des CT gilt folgendes Prinzip: Niemand hat das Recht, den anderen zu beleidigen, zu verletzen oder auszugrenzen. Geschieht dies dennoch, erfolgt Konfrontation. Die Konfrontation, ausgeübt in verschiedenen Level, muss stets wohlwollend erfolgen. Zu den Methoden zählen:

  • Körperlich betonte Spiele: Die Teilnehmer lernen aggressive Anteile und körperliche Reaktionen bewusst wahrzunehmen. Gewalt fasziniert und macht auch Spaß; sie muss aber durch akzeptierte Formen und Regeln kultiviert werden.
  • Rollenspiele: Sie dienen der Erkennung der eigenen Befindlichkeit in Konfliktsituationen und der Wahrnehmung eigener Täter- bzw. Opferdispositionen. Zudem wird die Palette an Verhaltens- und Reaktionsweisen erweitert, trainiert und auf ihre Effizienz hin untersucht.
  • Interaktionspädagogische Übungen: Die Eigen- und Fremdwahrnehmung wird gefördert. Nonverbale und verbale Kommunikationsmuster werden überprüft. Subjektive Wahrheiten, häufig Ursache für Gewalthandlungen, können bearbeitet werden.
  • Visualisierungstechniken: Visualisierungen machen Erfahrungen, Meinungen, Verhaltensmuster sichtbar. Eine Sensibilisierung für das Thema Gewalt ist oftmals erst durch die Methode der Visualisierung möglich.
  • Deeskalation – sinnvolles Verhalten in schwierigen Situationen: Effizientes und sinnvolles Verhalten kann erprobt und eingeübt werden. Durch aktive Kommunikation kann das Opfer die zugeschriebene Rolle verlassen oder muss dies erst gar nicht annehmen. Auch das Aushalten der Provokation und die Erhöhung der Frustrationstoleranz können somit trainiert werden.
  • Konfrontative Feedback-Runden: Täter werden mit ihren inakzeptablen Verhaltensweisen konfrontiert. Sie müssen sich inhaltlich mit diesen auseinandersetzen, begleitet von kritischen Kommentierungen der Gruppe.
  • Entwicklung von Opferperspektiven: Täter müssen sich mit der Befindlichkeit von Opfern auseinandersetzen. Dies geschieht durch Rollentausch, Opferbriefe, Filme über Opfer, auch durch Berichte von Unfallärzten.
  • Entspannungs- und Vertrauensübungen: Die Verbesserung der individuellen Körperwahrnehmung durch Entspannung und positive Erfahrungen mit der Gruppe ändern die Atmosphäre und führen zu einer besseren individuellen Befindlichkeit.

Quelle: Gall,R.:  Curriculum und Methodik des Coolness-Trainings, in: Weidner,J./Kilb,R. (Hg.): Handbuch Konfrontative Pädagogik. Juventa Verlag 2011